Über die gute alte Zeit
oder : Das Geheimnis des grünen Wunders....

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Die alten Radiolautsprecher stammen aus einer anderen Zeit. Einer Zeit als es bei den Herstellern noch kompetente Entwicklungsabteilungen gab, besetzt mit hochkarätigen Ingenieuren die nicht nur ihr Fach beherrschten, sondern ihr Wissen auch zum Wohle des Produktes einsetzen durften. Ausserdem stellten diese Firmen ihre Erzeugnisse (seien es nun Lautsprecher, Elektronenröhren oder etwas beliebiges anderes) komplett selbst her, hatten also eine hohe Fertigungstiefe. Damit hatten sie auch das Wissen und die Kontrolle über sämtliche Fertigungsschritte, was zu einer beispielhaft hohen Qualität führte.

Das ist schon die eine Hälfte des Geheimnisses des grünen Wunders.

Heute rangiert bei den Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft die Qualität ganz weit hinten. Die berühmten Hersteller sind schon längst im Billig-Schnäppchen-Strudel untergegangen. Heutige Entwicklungsabteilungen beschäftigen sich in erster Linie mit Herstellkostenreduzierung, Folgekostengenerierung (z.B. Druckerpatronen), gezielter Lebensdauerbegrenzung (z.B. Versprödung und Brechen funktionswichtiger Plastikteile) etc. Das ist zwar nicht weniger aufwendig, folgt aber einer ganz anderen Zielsetzung.
Die Ingenieure von damals haben ihr Wissen mit ins Grab genommen, weil es einfach niemanden mehr interessierte.

Deshalb sind grüne Wunder heute wohl nicht mehr ohne weiteres herstellbar.

Nach diesem traurigen philosophischen Exkurs, soll das Geheimnis des grünen Wunders noch ein wenig erkundet werden. Im sogenannten Röhrenzeitalter hatten die Verstärkerstufen von Klang wiedergebenden Geräten (Radio, Fernsehapparat, Plattenspieler etc) eine Ausgangsleistung von typisch 3 bis 5 Watt. Das klingt aus heutiger Sicht erschreckend wenig, sind wir doch seit langem so an die rekordverdächtigen Watt-Protzereien in den bunten Prospekten gewöhnt. Es war zwar auch damals schon möglich, Verstärker mit vielen 100 Watt herzustellen, das waren dann aber sehr grosse, schwere, teure Geräte, die sich kaum jemand ins Wohnzimmer stellen wollte oder konnte. Aber das war eigentlich auch gar nicht notwendig, es geht auch mit viel weniger.
Die vielen Watt wurden erst in den 1970er Jahren mit der flächendeckenden Einführung der Transistortechnik für die breite Masse erschwinglich. Und sie wurden das schlagkräftigste und dümmlichste Verkaufsargument.
Wichtig bei einem Lautsprecher ist aber nicht die Watt-Angabe, sondern unter anderem die Art und Weise, wie er mit der hineingesteckten Leistung umgeht, und was letztlich an Schall-Leistung wieder herauskommt, also kurz: der Wirkungsgrad. Dieser ist bei modernen Lautsprechern recht klein, sie wandeln die Leistung zum grössten Teil in Wärme um. (Der ideale Lautsprecher moderner Bauart ist der Heizlüfter, er hat häufig 2000 Watt).

Da die Entwicklungsingenieure damals noch nicht miteinander im "Wattkampf" standen, konnten sie die System-Optimierung beim letzten Glied, den Schallwandlern beginnen. Es musste nicht "auf Teufel komm raus" viel Leistung "verbraten" werden, daher kam man hier mit dünnen Spulendrähten, kleinen Schwingspulendurchmessern und Papier als Spulenträger aus. Dadurch, sowie durch hochpräzise Fertigung und geschickte Handarbeit (heute angeblich unbezahlbar), konnte der Luftspalt des Magnetsystems sehr klein gemacht werden, was auch bei kleinen Magnetsystemen zu hohen Magnetfeldstärken führt. Die Membrane wurde aus dünnem und leichtem Papier hergestellt, welches im Gegensatz zu vielen heute verwendeten Materialien leicht, haltbar und akustisch ideal ist. Die Membrane war nicht wie heute, konisch, sondern hatte eine NAWI-Form (Nicht AbWIckelbare Kegelfläche). Die beschriebene Bauweise führte zu einer geringen Masse des schwingenden Systems und damit neben dem hohen Wirkungsgrad auch zu der grossen Breitbandigkeit, die wir heute daran so schätzen. Die Lautsprecher wurden aus den zu ihrer Zeit gängigen Materialien gefertigt und waren deshalb damals nicht einmal besonders teuer.

Das war im Prinzip der Rest des Geheimnisses (man beachte den heute unüblichen Genitiv).

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